Der Grenzübergang Idomeni zwischen Griechenland und Mazedonien war bis vor kurzem ein weitgehend unbekannter Ort mit ungefähr 300 Einwohnern, die von Land- und Viehwirtschaft leben. Weitgehend unbekannt, bis die mazedonische Regierung beschloss, die Grenze zum Nachbarland abzuriegeln. In den letzten Monaten belegen die Mitarbeiter verschiedener UN-Organisationen, der Ärzte ohne Grenzen und anderer Hilfsorganisationen und Journalisten die Hotels, Pensionen und Privatzimmer in Idomeni, den umliegenden Dörfern und Kleinstädten. In der Provinzstadt Polikastro herrscht reges Treiben, die Cafés und Restaurants sind voll. Und alle sind hier wegen der neuesten Schande Europas: dem sogenannten Flüchtlingslager von Idomeni.
Auf einer Wiese und entlang der griechisch-mazedonischen Bahnverbindung leben seit vielen Wochen mehr als zehntausend Flüchtlinge, die hauptsächlich aus Syrien, dem Irak und Afghanistan stammen. Sie sind hier gestrandet, doch ihre Hoffnung auf eine Weiterreise nach Nordeuropa fand hier ein Ende, vor Stacheldrahtzaun, vor Grenzpolizei, gepanzerten Fahrzeugen und Tränengas. Was die Menschen hier, im Gegensatz zu Beobachtern und Helfern, die nach Tagen oder Wochen wieder in ihre Häuser und zu ihren Familien zurückkehren, am leben erhält, ist einzig und allein die vage Hoffnung, die Grenze würde trotz aller widersprüchlichen Informationen doch wieder geöffnet.
Elend, Dreck, ständige Nässe, Kälte und der Mangel an Essen und Schlaf bestimmen das tägliche Leben. In den Tagen und Wochen nach der endgültigen Schließung der Grenze hat sich das Lager örtlich organisiert. Die letzten Abgewiesen harren über Tage teilweise unter freiem Himmel in unmittelbarer Nähe des Grenzzauns aus. Sie trotzen dem Dauerregen und der nächtlichen Kälte, unter den Blicken der griechischen Grenzpolizei.
Das Lager von Idomeni hat in einigen Wochen eine eigene Dynamik und eine eigene Topografie herausgebildet. Die Topografie der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit, der Entrechtung und der Entmenschlichung, die Topografie des Lagers.