Im Osten der griechischen Insel Lesbos liegt das kleine Dorf Moria. Nur ein paar hundert Meter davon entfernt, liegt das Areal, das den Namen des Dorfes in der ganzen Welt bekannt gemacht hat: Camp Moria, das zentrale Aufnahmelager der Insel für Geflüchtete, die hier das Meer überqueren und wo derzeit mehr als 20.000 Menschen in kleine Zelten, unter Planen, provisorischen Bretterbuden oder Wohncontainern auf engstem Raum zusammenleben. Die Lebensumstände sind verheerend, menschenunwürdig und die Lage verschlechtert sich ständig. Viele der Bewohner und Bewohnerinnen sitzen seit Jahren in Moria fest, die meisten von ihnen stammen aus Afghanistan und aus Syrien, aus von Krieg und Terror heimgesuchten Gebieten.
Sie haben eine gefährliche, lange Reise hinter sich, haben ihre Existenz aufgegeben und alles zurück gelassen, um Asyl zu finden, stecken aber jetzt in einer Falle fest, die sich von Tag zu Tag tödlicher erweist, gefangen zwischen Grenzen, zwischen Staaten. Krankheiten, Kriegsverletzungen und Traumata plagen die Menschen. Not und Mangel sind an der Tagesordnung. Immer wieder kommt es zu Gewalt. Die Angst vor Abschiebung, die extreme Situation im Lager und das Erlebte auf der Flucht oder in den Heimatländern fördern das Entstehen von psychischen Erkrankungen und Kriminalität. Immer wieder kommt es zu Bränden, die mehrere Menschenleben forderten. Noch vor wenigen Wochen, nach der Auflösung des Geflüchteten-Pakts zwischen der türkischen Regierung und der EU dominierte die Situation auf Lesbos und an der griechisch-türkischen Grenze die Medienlandschaft. Die Meldungen über die Ausbreitung des Corona-Virus weltweit ließen die Stimmen aus Moria verstummen. Jetzt gibt es erste Fälle im Lager, ein Ausbruch dort wäre katastrophal, ein Virus findet dort idealen Nährboden für eine schnelle und fatale Verbreitung…